Geschichte katholischen Lebens in Gera
Urkunde
Mit der Besiedlung des Sorbenlandes durch deutsche Bauern aus Franken, Thüringen und Sachsen kam auch der christliche Glaube in unsere Region. Eine entscheidende Rolle spielte in diesem Zusammenhang sicher auch der am 15.5.719 von Papst Gregor II. als Missionar für die Germanen ernannten Mönch Wynfreth (Bonifatius).
968 wird das Bistum Zeitz gegründet und 999 schenkt Kaiser Otto der Äbtissin des Stifts Quedlinburg den „Landstrich Gera“. Im Jahre 1022 legte Papst Benedict VIII. fest, das Priester nicht mehr heiraten dürfen, was sicher auch Auswirkungen auf die Geraer Geistlichen hatte. Auf dem Nicolaiberg entstand um 1193 die Nicolauskapelle. Heute befindet sich hier die evangelische Kirche St. Salvator. In den Urkunden werden um 1200 ein Pfarrer Conrad und 1234 erstmals eine Johanniskirche erwähnt. Am 25. Oktober 1237 erhält Gera das Stadtrecht. Die Christianisierung im Raum Gera war wohl in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts abgeschlossen. Am 27.11. 1296 wird ein Magister Herrmann als Geistlicher der Johanniskirche urkundlich erwähnt. Im Jahre 1358 erhalten die Marktgrafen von Wettin vom Stift Quedlinburg das Lehen Gera. Die geistliche Zuständigkeit verbleibt beim Bistum Zeitz.
Im Mittelalter gab es außer der genannten Johanniskirche und der Nicolauskapelle die Dreikönigskapelle, die St. Wolfgangs- und die Hl. Kreuz Kapelle. Außerdem entstehen das Marien- und das St. Wolfgangshospital.Die Stadt hat Mitte des 15. Jahrhunderts rund 1500 Einwohner. Im sächsischen Bruderkrieg brennt 1450 die Johanniskirche ab, wird wieder aufgebaut und 1488 neu geweiht.
Am 31. Oktober 1517 veröffentlichte Martin Luther seine 95 Thesen in Wittenberg. Die Durchführung der Reformation in Gera prägte der Konflikt zwischen dem Herrn von Gera (Heinrich der Ältere) und dem sächsischen Kurfürsten. Unter Ausnutzung der gespannten reichspolitischen Lage konnte sich Heinrich d. Ä. mehrere Jahre der Einführung Luthers neuer Lehre widersetzen. Die Haltung Heinrichs war dabei sowohl religiös als auch politisch motiviert. Einerseits ging es ihm um das Festhalten am katholischen Glauben, andererseits um die Wahrung seiner Souveränität als Landesherr, sahen doch die Herren von Gera ihre Stellung als „reichsunmittelbar“, also nur dem (katholischen) Kaiser untertan. Andererseits wurde ihre Souveränität mehr und mehr durch die mächtigen Nachbarn, die Kurfürsten von Sachsen, bedroht. 1533 gelang es dem sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich schließlich eine Kirchenvisitation in Gera durchzuführen. Nach dem folgenden Wechsel der geistlichen Gerichtsbarkeit, einer personellen sowie wirtschaftlichen und sozialen Neuordnung der Pfarreien erlosch innerhalb weniger Jahre jegliches katholisches Glaubensleben in der Stadt. Gera wurde über mehrere Jahrhunderte zu einer fast ausschliesslich protestantischen Stadt.
Es sollte über 300 Jahre dauern, ehe der katholische Adjutant des protestantischen Fürsten Reuß, Gustav Graf Clairon d`Haussonville 1868 die Katholiken der Stadt „ermittelte“. Unter den 16 000 Einwohnern waren es 128, vorwiegend Geschäftsleute oder Dienstpersonal. D´Haussonville wandte sich an den Zeitzer Pfarrer Hundt, mit der Bitte, regelmäßige katholische Gottesdienste in Gera zu halten. So fand am 11.4.1869 der erste katholische Gottesdienst Geras nach der Reformation im kleinen Saal der „Wasserkunst“ statt! Aufgrund mangelnder Besucherzahlen, wurden die zweimonatlich stattfindenden Gottesdienste ab Sommer 1872 nicht fortgeführt.
Im Jahre 1880 erfuhr der Rudolstädter Pfarrer Bechem zufällig, dass es in der inzwischen 30 000 Einwohner zählenden Stadt weder katholische Geistliche, noch eine Kirche oder Gottesdienste gab. Mit Hilfe des aktiven Geraer Katholiken Anton Striether wurde ein geeignetes Lokal angemietet und vom fürstlichen Ministerium die Erlaubnis eingeholt. Der erste Gottesdienst fand am Ostermontag, den 10. April 1882 im Lokal Leipnitz in der Leipziger Straße (heute Metropol) statt. In der Folge nahmen regelmäßig rund ein Drittel der mittlerweile rund 350 Katholiken der Stadt an den Gottesdiensten teil. Ein zeitnah (19.7.1882) ins Leben gerufener katholischer Verein bereitete künftig die Gottesdienste vor und nahm die Interessen der Geraer Katholiken wahr. Gemeinsam mit Pfarrer Bechem und ab 1885 mit dem Altenburger Pfarrer Sparla, konnte in langwierigen Verhandlungen mit dem fürstlichen Ministerium sowie den Bischöflichen Generalvikariaten in Dresden und Paderborn der Grundstein für eine eigenständige Gemeinde gelegt werden. 1887 konnte ein eigener „Betsaal“ in der Pönertstraße 7 (heute Dr. Friedrich Wolf Straße) angemietet werden. Die Gemeinde festigte sich weiter, trotzdem dauerte es noch bis zum 15.6.1894, ehe die Gemeinde „St. Elisabeth“ (siehe Urkunde auf Startseite) staatlich anerkannt wurde. Zur Unterstützung Bedürftiger leistete der am 20.2.1895 gegründete Wohltätigkeitsverein "Elisabethfrauen" (Vorsitzende Frau von Petersdorf) unverzichtbare Dienste. Am 15.8.1895 erhielt Gera mit Pfarrer Wilhelm Bange seinen ersten „eigenen“ katholischen Seelsorger. Am 1.2.1896 wurde beschlossen, ein Fabrikgrundstück in der Nikolaistraße 4 zu kaufen, wo bereits im Sommer eine Kapelle geweiht werden konnte. Ein kompletter Umbau sowie die Errichtung zweier Türme findet 1902/03 statt.
Der finanzielle Unterhalt der Gemeinde erwies sich von Beginn an als sehr schwierig. Anträge auf staatliche Beihilfen wurden stets abschlägig beschieden. Entsprechend der reussischen Kirchengemeindeordnung mussten Katholiken sogar zum Unterhalt der evangelischen Landeskirche beitragen. Pfarrer Boenert schrieb 1908 „In Reuss j.L. ist die Entwicklung des religiösen Lebens gehemmt und die Betätigung der Kräfte der katholischen Kirche für die eigenen Glaubensgenossen wird unmöglich gemacht!“ Ein Brief seines Nachfolgers Johannes Härtl bestätigt dies rund ein Jahrzehnt später „In Reuss j.L. sind die Katholiken die rechtlosesten … im ganzen Deutschen Reiche …!“ Die am Tage der Kirchweih benedizierten Glocken wurden im Juni 1917 zu Kriegszwecken eingeschmolzen. Neue Stahlglocken erklingen erst 1919 wieder. Zu diesem Zeitpunkt hat Gera 73000 Einwohner, wovon knapp 3% katholisch sind.
Ab 1920 verbesserten sich die Rahmenbedingungen, es gab katholische Kirchensteuern und am 24.6.1921 wurde das Bistum Meißen wiedererrichtet. Pfarrer Plewka wurde Erzpriester des Archipresbyterates, welches die thüringischen Gemeinden (Altenburg, Greiz, Schmölln, Rositz, Meuselwitz) des Bistums zusammenfasste und einen Vorläufer des heutigen Dekanates Gera darstellte. Die Stabilisierung des Gemeindelebens in den zwanziger Jahren wird verdeutlicht durch die Gründung des Kirchenchores „Cäcilia“(1923) und des katholischen Gesellenvereines (1925). Die Weltwirtschaftskrise (1929) mit ihrer nachfolgend hohen Arbeitslosigkeit und die Machtergreifung Hitlers (1933) waren dieser positiven Entwicklung nicht zuträglich.
Trotz aller Probleme, wird 1935 die Kirche renoviert und 1936 mit einem neuen Dach versehen. Die Bekämpfung der katholischen Kirche durch den Nationalsozialismus zeigte sich auch in der Schließung der 1903 gegründeten katholischen Bekenntnisschule am 23.3.1938. Nach dem Tod von Erzpriester Plewka (4.12.1938) wird am 26.2.1939 Pfarrer Johannes Tenderich eingeführt. Im Laufe des Krieges kommen unzählige Katholiken, Evakuierte, Vertriebene sowie Zwangsarbeiter aus Polen, Frankreich und anderen Ländern nach Gera. Angesichts der allgegenwärtigen Überwachung durch die Gestapo und häufigen Bombenangriffen notiert der Pfarrer 1944: „Nun hebt an ein allem Anschein nach schweres Jahr.“ Pfarrer und Kaplan leisten in dieser Zeit in der Seelsorge unglaubliches! Am 13.4.1945 wird Gera an amerikanische Truppen übergeben. Diese ziehen am 1.7.1945 ab und die rote Armee rückt ein. Die Gemeinde steht vor großen Herausforderungen, die Pfarrer Tenderich mit den Worten umschreibt: „Großes Leid! Wie soll das enden!? Gott mag sorgen und das Leid segnen zum Frieden!“
1945-2020 Vom Weltkriegsende bis zur Coronakrise
Handelnde Personen:
Diese Zeit prägten vier langjährig aktive Pfarrer:
Johannes Tenderich (*1900 +1970)
Walter Hochmuth (*1914 +1998)
Bernhard Sahler (*1927 +2007)
Klaus Schreiter (*1950 +2020)
Natürlich dürfen auch die Pfarrhaushälterinnen, Pfarrköchinnen, Seelsorgehelferinnen und Gemeindereferentinnen nicht fehlen. Stellvertretend für andere sind das Aenne Maier, Inge Haak, Anna Bubick (Orgel), Ursula Eisenstein (Lehrerin), Helga Antelmann, Maria Nowak, Elfriede Bräuner (Köchin), Gertrud Krzeminecki ( Caritas), Maria Ihl. Alle waren langjährig aktiv.
Von den zahlreichen Kaplänen waren besonders bekannt und beliebt: Werner Jaschke, Johannes Klante, Johannes Wittpohl (1950/60er Jahre), Johannes Rippl (1970er),die späteren Professoren Claus-Peter März, Eberhard Tiefensee (letzterer als Aushilfskaplan) und Michael Wyppler (1980er), Christoph Baumgarten und Gregor Hansel (1990er) und Dariusz Frydrych (2000er Jahre).
Nach dem 2. Vaticanum und mit der Meißner Bistumssynode bekamen sogenannte Laien tragende ehrenamtliche Aufgaben. Stellvertretend sei der langjährige Pfarrgemeinderatsvorsitzende und Gemeindechronist Gerhard Reimann und seine Frau Dorothea genannt, die ebenso lang in der Kinder- und Jugendpastoral tätig war.
Chronologie der Ereignisse:
Am 14. April 1945 mittags schweigen die Waffen. Nach Tieffliegerangriffen und Artilleriebeschuss wurde die Stadt ohne Häuserkampf eingenommen. Zuvor erlebten die Einwohner am 6. April den letzten und folgenschwersten Luftangriff der US Air Force. Es gab ungezählte Verletzte und ca. 200 zivile Tote. 10 Prozent der Innenstadt wurden zerstört. Auch die St. Elisabeth-Kirche erlitt Schäden durch Druckwellen an den Türmen, am Dach und den Fenstern. „Die Amerikaner gehen zahlreich zum Sonntagsgottesdienst. Die ganze Nikolaistraße ist voller parkender Autos“ (Tenderich). Es folgte ein tiefes befreiendes kurzes Aufatmen in wenigen Frühlingswochen.
Am 2. Juli zogen vertragsgemäß die Sowjets ein. Die Grundversorgung brach jetzt auf allen Ebenen zusammen. Das Einsetzen kommunistischer deutscher Machthaber und die stalinistische Verfolgung in den Folgejahren löste eine für Gera beispiellose Fluchtwelle aus. Handwerker, Ladenbesitzer, Künstler und Ärzte, aber auch viele einfache Leute „machen in den Westen“. Darunter sind viele Katholiken. Bald kamen andere Menschen in die Stadt, vor allem Bergleute. Die Sowjets hatten entdeckt, dass es in der Umgebung Uran gibt. Ein neuer Industriezweig entstand: der Bergbau. Unter den Neubürgern waren nur wenige katholisch. 1977 hat Gera 5.000 Katholiken. Das waren etwa 2% der Bevölkerung wie vor dem Krieg. Tendenz fallend, denn in den 1980er Jahren setzte erneut eine Ausreisebewegung ein. Der Bevölkerungsverlust hält bis in die Gegenwart an.
Die neuen Machthaber mögen die Kirchen nicht. Pfarrer Tenderich bittet 1947 die Stadtverwaltung wegen der Raumnot erfolglos, den unbeschädigten Konzertsaal vorübergehend als Gottesdienstraum nutzen zu dürfen. Aber evangelische Pfarrer helfen: In den Vororten dürfen die Kirchen sonntags genutzt werden. Bis weit in die 1980er Jahre gibt es die katholische Messe 7.30 Uhr in der Marienkirche in Untermhaus. Seit 1946 gibt es die katholische Christnacht in St. Salvator.
Die Zahl der Gläubigen erreichte im Jahr 1947 mit 18.000 eine einsame Spitze.
Fünf Sonntagsmessen feierten ein Pfarrer und zwei Kapläne. 700 Personen fasste die Kirche. Zeitgleich gab es bis zu 14 Außenstationen. Der sonntägliche Fußweg in die Vororte war besonders bei der Pfarrjugend beliebt. Seit 1947 gibt es alljährlich die Mai-Wallfahrt zum Niebraer Marienaltar. Legendär waren die Fronleichnamsprozessionen bis 1956 auf dem Debschwitzer Schützenplatz (heute Arminius-Viertel) mit 10.000 Teilnehmern. „Die Altvorderen von Gera und die Flüchtlinge haben nicht viel gemein. Aber die Zeit wird es schon richten“ (Tenderich).
Als Folge der langgestreckten Ausdehnung Geras im Elstertal und des anfänglich ausgerechnet sonntags fehlenden öffentlichen Nahverkehrs entstanden die Pfarrvikarien Langenberg und Zwötzen mit eigenen Lokalkaplänen.
Der Volksaufstand am 17. Juni 1953 war für die Stadt ein einschneidendes Datum. Bis zum Mauerbau 1961 flüchteten noch einmal Tausende aus der alten oder neuen Heimat gen Westen. Mit Hilfe der Staatssicherheit festigte sich danach das kommunistische System. Rechtlosigkeit, Bildungsentzug, Wahlbetrug, Bereicherung am fremden Eigentum, Schauprozesse und Religionsbekämpfung setzen ein. Die Gemeinde litt, wie ein Großteil der Bevölkerung, unter der Machtwillkür der Vertreter der „Diktatur des Proletariats“.
Ein über drei Jahrzehnte alljährliches Thema war der freiwillige Zwang zur Jugendweihe. Viele junge Gemeindeglieder nahmen lieber lebenslange schwerwiegende Nachteile in Kauf, als auf den Unrechts-Staat „DDR“ einen Treue-Eid abzulegen.
Die katholische Schule (1904-1938) blieb auch nach 1945 geschlossen. Jede Schreibmaschinen-Drucksache hatte den vorgeschriebenen Zusatz zu tragen: Nur für innerkirchlichen Dienstgebrauch! Dazu kam eine unvorstellbare Papierknappheit. Kaum ein Gemeindemitglied besaß einen Telefonanschluss. Dem beleuchteten Außen-Schaukasten an der eigenen Kirchmauer kam eine große Bedeutung als Informationsträger zu. Regelmäßig war dessen Scheibe eingeschlagen. Ursache waren keinesfalls nur aufgewirbelte Steine vorbeifahrender Autos. Erst in den 1970er Jahren wurde die Nikolaistraße Teil des Innenstadt-Rings mit dem heute starken Autoverkehr.
Alle Pfarrer lassen sich selbst durch Erniedrigung nicht einschüchtern. Die Gemeinde hält zusammen und lernt, mit wenig Materiellem zufrieden zu sein. Man kennt sich- man hilft sich. Einfallsreichtum und Improvisation lassen Versorgungslücken kleiner erscheinen. Das alles gilt bis 1990.
Nach dem 2. Vaticanum wird der Innenraum der Kirche grundlegend umgebaut. Die Seitenaltäre und die Kommunionbank verschwinden. Ein tonnenschwerer Altar aus monolithischem Rochlitzer Porphyr- ebenso das Ambo und der Taufstein- bilden eine liturgische Einheit.
Mitte der 1960er Jahre waren die Ersatz-Stahlglocken von 1921 unreparierbar geworden und mussten abgestellt werden. 20 Jahre gab es kein katholisches Geläut in der Bezirkshauptstadt Gera. Nach schwieriger Beschaffung läuteten zu Ostern 1984 drei neue Bronzeglocken was freilich damals niemand ahnte- langsam aber sicher eine neue Zeit ein.
1983 wird Kantor Michael Formella angestellt: Damit beginnt ein Aufschwung der Kirchenmusik mit Wirkung weit über Gera hinaus. Er wird den berühmten Lehrer und Kantor Witzel noch an Dienstjahren übertreffen.
Die Pfarrbibliothek- gepflegt von ehrenamtlichen Bibliothekarinnen- bestand schon viele Jahre und wurde gern genutzt. Dort konnte man auch Bücher verbotener Schriftsteller ausleihen. Anfang der 80er Jahre bekam sie eine neue, schnell anwachsende Sparte: Umwelt-Literatur. Es bildete sich eine für Gera einzigartige Sammlung von Schriften zum Umweltschutz. Ein in dieser Zeit äußerst brisantes Thema.
Unter widrigen Umständen gelang es Pfarrer Sahler, in Langenberg eine Kapelle zu bauen, die noch 1989 eingeweiht wird. Da hat die Dämmerung des politischen Systems schon eingesetzt.
Die Friedensgebete, hervorgegangen aus Angst vor einem Atomkrieg, waren zunächst unregelmäßig mit wenigen Teilnehmern. Im September 1989 führten sie schlagartig zur überfüllten Kirche St. Elisabeth. Am 21. September wurden im 1. OG des Pfarrhauses, dem sogenannten „Mädchenzimmer“, die ersten Unterschriften für das Neue Forum Gera gesetzt. Damit war die friedliche Revolution auch in Gera angekommen. Pfarrer Sahler wurde für seinen Mut 2002 zum Ehrenbürger ernannt. Katholische Bürger beteiligten sich aktiv an der Auflösung der Staatssicherheit wie an der Vorbereitung und Durchführung der freien Wahlen 1990.
Die seit 1988 bestehende Städte-Partnerschaft mit Nürnberg erlebt mit der Reisefreiheit 1990-92 ihren Höhepunkt. Sie wurde initiiert und gefördert durch die katholischen Dekane von Gera und Nürnberg.
1994 wird mit einem großen Fest das 100jährige Bestehen unserer Gemeinde gefeiert.
Es entsteht eine sehr gelungene Festschrift. Die Kirche wird innen und außen renoviert und bekommt neue Fenster. Was zu der Zeit noch keiner weiß, ein Kirchneubau wird nötig.
Der Baukörper wurde gutachterlich untersucht und es wird ihm keine Zukunftsfähigkeit bescheinigt. Die 1904 zur Kirche umgebaute alte Weberei in der Nikolaistr. 4 wurde einschließlich Pfarrhaus 2010 abgerissen.
Pfarrer Sahler gründete am 26. November 1995 den Caritasverband Ostthüringen e.V. und wird dessen erster Vorsitzender. Bereits zuvor gab es viele Jahre ehrenamtliche Caritasarbeit und den Caritas-Förderverein.
Seit 1996 war Pfr. Klaus Schreiter in Gera. Ihm gelang es, das Grundstück am Botanischen Garten zu kaufen. Bereits 2000 zog das Pfarrhaus in das benachbarte sanierte Bürgerhaus Kleiststr. 7. Damit verbessern sich nicht nur die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Pfarrer, Kaplan und Gemeindereferentin entscheidend. Die Gemeinde bekam auch den lange gewünschten großen Gemeindesaal im Erdgeschoss.
Neben dem städtischen Führungsbunker aus dem Kalten Krieg entstand die neue St. Elisabeth-Kirche. Ein Kraftakt, doch das Zeitfenster war günstig. Mit der neugewonnenen Währung D-Mark, bei vergleichsweise niedrigen Baukosten und Unterstützung von Bistum und Bonfatiuswerk, Land und Bund, wurde die Kirche 2003 eingeweiht, ein Jahr später war die Orgelweihe.
Werke der Gegenwartskünstlerin Elly Viola Nahmacher (Greiz) prägten schon die Innenausstattung von Alt-St. Elisabeth. (Wandteppich, Osterkerzenleuchter, Pieta). Ab 2005 kommen nach und nach von privaten Spendern Südtiroler Heiligenfiguren dazu.
Ein persönliches Anliegen von Pfarrer Schreiter war das Sternsingen und die damit verbundene Spendenaktion. Dazu bereiste er trotz bereits angeschlagener Gesundheit die halbe Welt. Er knüpfte persönliche Kontakte, was u.a. dazu führte, dass jeden Sommer die Anwesenheit von Vertretungs-Priestern der Weltkirche, aus Afrika und Indien, in Gera für Aufsehen sorgten.
Von 1992-2007 waren Kapuziner-Mönche in unserer Stadt. Sie halfen in verschiedenster Weise in der Seelsorge und wirkten in die Stadt hinein. Pater Andreas Waltermann (später in Albanien), Pater Paulus Terwitte (später Frankfurt/M.) und Pater Bertolt Oehler waren die bekanntesten Namen.
2007 war das 800. Jubiläumsjahr der Hl. Elisabeth. Unser Kirchenchor bekam die ehrenvolle Aufgabe, von den Erfurter Domstufen bei der nächtlichen Vigil-Prozession singen zu dürfen. Der Gesang wurde mit Lautsprechern in die ganze Innenstadt übertragen. Das war ein unvergessliches Ereignis.
Im gleichen Jahr war die Bundesgartenschau in Gera und Ronneburg. Für beide Städte ein Jahrhundertereignis. 171 Tage beherrschte eine zuvor nie gekannte Fröhlichkeit und Heiterkeit die ganze Stadt. 1,5 Millionen Gäste kamen. Zuvor wurden die fürstlichen Hofwiesen zu einem Park umgestaltet. Die Straßenbahn bekam eine neue Linie und neue Straßenbahnzüge. Auch der Autoverkehr profitierte von den neuen Straßen. Das Theater und die Orangerie wurden erneuert. Die christlichen Kirchen beteiligten sich mit einem Kirchenzelt, maßgeblich initiiert von Pfr. Schreiter und dem evangelischen Pfr. Roland Geipel. Das Kirchenzelt diente danach noch einige Jahre als Ort der Fronleichnamsfeier.
Ein besonderer Höhepunkt war das klassische (Bistums-) Chorkonzert mit Solisten und großem Sinfonieorchester auf der Freiluftbühne bei strahlendem Sonnenschein unter Leitung unseres Kantors, der kurze Zeit später zum Kirchenmusikdirektor ernannt wurde. 2007 war auch das Todesjahr unseres sehr beliebten Pfarrers Bernhard Sahler.
Pfarrer Schreiter wurde im Folgenden noch zum Bauherrn für die Kirchen Maria Geburt (Ronneburg, 2005) und St. Nikolaus (Kahla, 2018). Das ist zugleich die neue Ost-West-Ausdehnung der Gemeinde. Langjährig führte er die Verantwortungsgemeinschaft als Dekan und Pfarradministrator. Er bereitete die Neugründung am 8. Dezember 2018 vor. Jetzt besteht sie neben der Pfarrkirche aus weiteren 7 Kirchorten und hat 4.200 Gläubige. Nach nur wenigen Monaten im Ruhestand stirbt Pfarrer Schreiter 2020. Ihm folgt Pfr. Bertram Wolf.
Bekanntheit über unsere Gemeinde hinaus erreichten das Kabarett „Die Kläriker“ (1991-2003), der Karnevalverein Gerania e.V. (1999-2013), der Gospel Chor „Messengers“, die Caritas-Sozialwerkstatt (1996-2006) das (Wohnungslosen-) Haus Emmaus und das Aloys-Scholze-Haus. Bis zu deren Einstellung beteiligte sich unsere Gemeinde regelmäßig an der Sendung „Gedanken zur Woche“ im Geraer Lokal-TV. Seit 2010 besteht das Fair-Cafe dienstags 16-18 Uhr.
Seit 1990 wurden mehrere Rundfunk- und Fernseh-Gottesdienste aus unserer Kirche übertragen. Der Aufwendigste war zur 777-Jahr-Feier der Stadt Gera (2014, ökumenisch). Der Ausbruch der Corona-Pandemie um Ostern/Pfingsten 2020 erzwang erstmals 15 Video-Übertragungen per YouTube. Die Heiligen Messen fanden zunächst ganz ohne Besucher, später mit abgezählter Besucherzahl unter Hygieneauflagen statt.